Ein Schiff in rauer See

Vorwort: 

 

Wie schon oft erwähnt, geht es bei meinen Texten darum, Gefühle zu thematisieren und mithilfe von Worten intensiv auszudrücken. Es ist mir sehr wichtig, das volle Gefühlsspektrum zu thematisieren. Das bedeutet nicht nur die positiven, sondern auch traurige Gefühle zu beschreiben. In diesem Text geht es um eine anhaltende Traurigkeit/Depression und den schweren Weg aus dieser Krankheit. Mir war es wichtig, die wellenartigen Gefühlsemotionen zum Ausdruck zu bringen. Diese Zeilen betreffen mich nicht direkt, sondern eine mir nahestehende Person aus meiner Vergangenheit. Mir war es wichtig, meine Eindrücke und wahrgenommenen Emotionen mit euch zu teilen. Aber es ist mir auch wichtig zu erklären, dass diese Emotionen aus einer Beobachtungssituation von mir wahrgenommen wurden. Hoffentlich habe ich es geschafft, die Emotionen passend zu beschreiben. Es ist schwer zu erklären, wie man als empathischer und sehr mitfühlender Mensch die Emotionen anderer Personen in sich selbst spürt. Ich habe versucht, meine Beobachtungen so gut wie möglich in diesem Text zu beschreiben. Mir ist bewusst, dass dieser Text in seiner tieferen Bedeutung sehr schwerfällig ist und für viele Menschen vielleicht schwer zu lesen ist. Tatsächlich war es für mich selbst nicht einfach, den Text zu schreiben, da ich beim Schreiben die Gefühle, die vermittelt werden sollen, meistens sehr intensiv spüre. Ich hatte bereits eine Seite geschrieben, da bemerkte ich, wie ein Teil von mir dem Weiterschreiben des Textes ausgewichen ist. Vielleicht fragt sich der eine oder andere, warum ich ihn dennoch geschrieben habe. Es ist wichtig, über das Thema zu sprechen, da viele Menschen dafür scheinbar kein oder wenig Verständnis aufbringen können. Dennoch bin ich sehr dankbar, dass ich selbst noch nie davon betroffen war. Der Leidensdruck, den Menschen in solchen Situationen empfinden, ist extrem groß.  

 Ein Schiff in rauer See:

 

Sie steht am Rand eines hölzernen Schiffs und zweifelt mal wieder an sich. Traurige Augen können viele schöne Momente rauben. Abwesende Blicke versinken in Höhen und Tiefen ungezähmter wilder Wellen, wenn sie alleine ist, muss sie sich nicht verstellen. Im Angesicht anderer Menschen lächeln traurige Lippen, doch in Hoffnungslosigkeit gehüllte Augen können nicht in Freude kippen. Viele sehen die Verzweiflung in ihrer Stille nicht, ein falsches Lächeln, das scheinbar Lebenslust verspricht. Die Nacht ist klar, nur sie ist da. Ein weiterer einsamer Moment, dessen Schmerz nur sie selbst kennt. Nur eine kleine Laterne kann die Dunkelheit um sie herum erhellen, sie kann sich emotionale Nähe anderer Menschen nicht mehr vorstellen. Die Nacht ist sternenklar, ihr helles Funkeln wirkt nicht weit, sondern so nah, fast greifbar. Mitten in den Weiten unendlich wirkendem Wasser wird die wahre emotionale Nähe immer blasser. Sie hält Ausschau nach einem festen Ufer, energielose Augenblicke, die nach Kraft rufen. Hohe, unberechenbare Wellen, die verdrängte Angst auftauen, doch sie kann ihren eigenen Wahrnehmungen längst nicht mehr vertrauen. Die Einsamkeit in stillen Momenten fühlt sich wie Tropfen aus Feuer an, die selbst das Meer um sie herum nicht löschen kann. Sie fragt sich, wann die Antriebslosigkeit über sie die Überhand gewann.

Verzweifelte Augen schweifen über das unruhige Wasser, ihr weites, leicht wehendes Kleid wird immer träger und nasser. Ein Gefühl der Leere sucht in den Weiten der Einsamkeit nach innerer Sicherheit, während Traurigkeit und Verzweiflung still und leise nach Liebe schreien. Immer wieder suchen unruhige Blicke das Wasser ab, dort, wo tiefe Verbundenheit in kaum greifbarem keinen Platz hat. Es zerrinnt in den Fingern, nichts kann das Wasser am Fortfließen hindern. Sie kann nur auf der Wasseroberfläche schwimmen, doch sich nicht wirklich mit ihm verbinden. Ihr helles Kleid leuchtet nass und klamm im kalten Wind, während lautes Donnern und Blitze am Himmel zu sehen sind. Ein Sturm auf hoher See zieht auf, die Nässe jedes weiteren Tropfens zerrt die letzte Wärme aus ihr heraus. Sie versucht, die Nähe des stürmischen Wassers zu ergreifen und kann die Oberfläche des Meeres, mit ihren zarten, gefühlvollen Berührungen, doch nicht erreichen. Das Boot wankt stark im aufkommenden Wind, sie selbst wirkt für ihre eigenen Bedürfnisse blind. Ein Wetterwechsel so unvorhersehbar, das Leben ist für sie momentan nicht greifbar. Frierend steht sie im nassen Regen und möchte dennoch mit niemandem darüber reden. Nur das Frieren erinnert sie daran, dass sie noch etwas anderes als Traurigkeit empfinden kann.

Die ungezähmten freien Bewegungen der Wellen faszinieren sie sehr, die Sehnsucht nach Freude wiegt in ihr so schwer. Manchmal denkt sie daran, was das Leben wahrhaftig ausmachen kann. Beeindruckt, von der Leichtigkeit der Bewegungen, von Ehrfurcht beim Anblick des Meeres ergriffen, kann sie voller Traurigkeit dennoch nur Schmerz in sich finden. Jede Sekunde alleine verpufft wie ein Tropfen auf einem heißen Stein. Sie könnte ein Meer voller Tränen füllen und würde doch die Schmerzen der nassen Kälte in sich spüren. Erneut strecken sich ihre Hände dem Meer entgegen. Sie versucht in flüchtigen, schnelllebigen Momenten, wahre Freude zu sehen und kann es doch nicht verstehen. Regungslos blicken leere Blicke in die Unnahbarkeit der eigentlich lebendigen Welt, während ihr Gefühl an der Traurigkeit festhält. Das Leben um sie herum kann wahrhaft voller Freude sein, doch sie ist in den nicht enden wollenden Wellen der Traurigkeit gefangen. Ziellos gleitet das Boot in den ungreifbaren, scheinbar endlosen Weiten des unruhigen Wassers. Als können die immer gleichen wellenartigen Bewegungen ihr Gemüt vollumfänglich in Reglosigkeit fassen.

Eine heranrollende Welle überschreitet die Bootsschwelle. Die Stärke des Windes hat das Wasser über die Rehling getragen, nichts konnte ihr die Ankunft des bald nahenden Wassers vorab verraten. Sie will nicht in der Traurigkeit einer weiteren hohen Welle versinken, sondern wieder Haltung auf ungreifbarem Untergrund finden. Sie könnte vor dem Sturm fliehen und sich ins warme Innere des Schiffs zurückziehen. Doch sie steht immer noch am selben Ort, nichts trägt sie von dem kalten Wind und dem Regen fort. Ein Boot kann auf der Wasseroberfläche schwimmen oder in den dunklen Tiefen des Meeres versinken. Ihre Hände umklammern fest einen schmalen Griff, damit die nächste Welle sie nicht mit voller Wucht erwischt. Während eine weitere Welle die Kante zum Schiff erklimmt, ist es ihr Gemüt, das in ausweglosen Tiefen der Hoffnungslosigkeit versinkt.

Ihre Hände lassen den Griff nicht los, während ein starker Wind um sie herum tobt. Sie hat es in letzter Minute geschafft und hält sich mit ihrer allerletzten Kraft. Ein schwankender Lichtstrahl erhellt unerwartet für Sekunden ihr Sichtfeld. Verwundert sieht sie den Bewegungen des wandernden Lichts eine Weile zu, die Zeit verfliegt wie im Nu. Ihre Wahrnehmung verändert sich, zuerst glaubte sie es nicht. Instinktiv möchte sie zum Ursprung des Lichtstrahls schauen, ohne den Blick in die Helligkeit zu bedauern. Eine Sekunde, flüchtig und winzig klein, kann eine Veränderung zum Positiven sein. Einzelne Gedanken bringen die Aussichtslosigkeit scheinbar verlorener Momente manchmal ins Wanken. Inmitten stürmischer, trauriger Gedanken kann durch den Anblick einer hellen Laterne die Stimmung von Trostlosigkeit in Hoffnung schwanken. Das Licht der Laterne dient der Navigation, es verhindert die Stagnation. Auch zu später Stunde soll das Schiff für andere erkennbar sein. Ganz alleine und dennoch mit der Nacht vereint, kann alles in der Dunkelheit verschwinden und in den Tiefen versinken. Sie fragt sich, kann dieses schimmernde Licht auch für mich ein Wegweiser sein? Ihr Gemüt möchte wieder freudig gedeihen. Die keimende Hoffnung zieht sie hin zum orangefarbenen Laternenlicht. Ohne Angst löst sie ihren Griff, dabei merkt sie nicht, wie das Boot unaufhaltsam in den Wellen bricht. Es ist ein Moment, in dem die Hoffnung aus ihr spricht. Lass sie zurückfinden zum Ufer der Freude und des Lichts.

Das Boot wankt stark in einer noch viel höheren Welle. Es hält sie nicht mehr länger an derselben Stelle. Ihre zaghaften Hände greifen erneut nach dem rutschigen Geländer. Ihre Handbewegung ist so sanft und zart, dass sie fast keine Wirkung mehr hat. Eine starke Angst setzt sich in ihrem Blick fest, die sie immer weiter an sich selbst zweifeln lässt. Während sie begreift, dass sie endgültig den Halt verliert, spürt sie eine Starre, deren Intensität ständig variiert. Am Boot brechende Wellen zerren sie fort über die Bootsschwellen. Die Ungewissheit einer ausweglos wirkenden Situation ist die stärkste Form der Selbstisolation. Zerrissen zwischen dem Leben und dem Gefühl vom angeblichen Scheitern, möchte ein Teil von ihr nicht mehr weiter durch die Wellen gleiten. Diese so verschiedenen Gedanken können sich nicht in einem kompletten Wunsch tief in ihr verankern. Sie schließt die Augen für einen flüchtigen Augenblick. In ihrer Vorstellung kann sie bildlich sehen, wie ihre wahren Sehnsüchte und Wünsche vor ihr stehen. Eine Bucht schimmert in der gerade aufgehenden Sonne, sie möchte den trüben Gedanken entkommen. Ein kleines bisschen Land, das in der Starre der Traurigkeit den Weg in ihr Bewusstsein lange nicht fand. Nie zuvor hat sie das nahe Land entdeckt, es hat sich inmitten des endlosen Wassers versteckt.

Plötzlich ist das Gleiten auf dem einst wilden Meer gar nicht mehr so schwer. Voller Neugier fragen ihre überraschten Gedanken, was dort wohl zu finden ist. Nur zögerlich bewegen sich ihre Arme und Füße. Sie vergisst die Traurigkeit für einige Zeit, spürt trotz der Bewegung aber keine Heiterkeit. Träge Arme können sie trotz zögerlicher Bewegungen zur Bucht tragen, sie wünscht sich eigentlich, die volle Schönheit der kleinen Insel zu erfahren. Das tiefe Wasser wird immer flacher, doch die Freude wird nur geringfügig in ihr wacher. Ihre Füße stoßen am Boden an, sie kann nicht glauben, dass sie wirklich gerade Land erreichen kann. Ihr nasses Kleid schmiegt sich mit jedem Schritt aus dem Wasser an die kalte Haut, während sie ihrer Wahrnehmung noch immer nicht traut. Der Sturm ist vorüber, all die hohen Wellen wurden von der Schönheit dieser Bucht davongetragen. Den Glauben an die Unbeschwertheit eines scheinbar schönen Moments kann sie dennoch nicht wagen. Die Dunkelheit der Nacht wird von den Farben der aufgehenden Sonne für kurze Zeit bewacht, während ein neuer Tag erwacht. Die Sonne lässt sich das Leuchten auf die Welt nicht nehmen, das Morgenrot ist immer wieder erneut zu sehen. Wäre sie sich doch nur in diesem Moment gewiss, dass egal, wie stark die Traurigkeit um sie herum gerade ist, die Nacht irgendwann die Dunkelheit vergisst. Jeden Morgen beginnt ein neuer Tag, egal, wie schlecht der vorherige Tag war. Das in Orange gehüllte Morgenrot am Himmelszelt ist etwas, das die Welt jeden Morgen erneut erhellt.

Ein Strand, bestehend aus grünem funkelndem Sand, zieht sie magisch an, obwohl sie keinen wahrhaftigen Gedanken fassen kann. Emotionaler Stillstand verdunkelte viel zu oft Glück und Zuversicht, sodass ihr Körper die Freude vergisst. Man sollte meinen, der heiße Sand kann ihr Schmerzen beim Gehen bereiten, doch sie kann aufgrund ihrer inneren Leere einfach über den Sand schreiten. Ihre Füße versinken im lockeren Sand, dabei gewinnt die Hoffnungslosigkeit in ihren Gedanken wieder die Überhand. Der Ausweg ist so nah, doch die Sichtbarkeit ist noch nicht greifbar. Das Tor zur Freude wurde von Pflanzen bedeckt, es hat sich direkt vor ihren Augen versteckt. Es leuchtet und schimmert in bunten Farben, doch sie kann das Vorhandensein der Freude nicht bis in ihr Inneres tragen. Blicke wandern zurück auf das offene Meer, sie sieht die Schönheit der Bucht plötzlich nicht mehr. Das Schiff ist nicht mehr zu sehen, ihre zweifelnden Blicke können das alles noch immer nicht verstehen. Erneut denkt sie daran, dass nur der Weg über das einsame Meer zu ihrem Ziel führen kann. Eine Suche nach dem Glück, das eigentlich direkt vor ihr zu finden ist. Ein grauer Schleier vernebelt ihre Sicht, sodass sie all die bunten Farben wieder vollkommen vergisst. Direkt vor ihr steht ein verschlossenes Tor, das zur Freude führt, während sie die Anwesenheit des Weges wieder nicht spürt. Es ist mit Pflanzen der Umgebung bedeckt, scheinbar versteckt hat sie es noch immer nicht entdeckt. Die Freude ist schon so nah und doch für sie nicht greifbar. Eine starke Kälte zieht erneut in jeden Winkel ihres nassen Körpers, vor Erschöpfung fehlen ihr die passenden Wörter. Ihre noch immer geschlossenen Augen öffnen sich, während die Starre wieder zu ihrem Körper spricht. Sie kann nicht glauben, was sie vor sich sieht, denn sie bemerkt, dass ihr Körper wieder auf dem Schiff, inmitten eines stürmischen Windes, steht. Regungslos verharrt sie auf einer Stelle, direkt an der Schwelle. Gerade war die Freude noch greifbar, jetzt ist sie noch viel verzweifelter. Wohin ist die Bucht nur verschwunden? Der Verlust hinterlässt in ihr tiefe innere Wunden. Sie muss begreifen, es war nur ein flüchtiger Traum, die Realität um sie herum veränderte sich scheinbar kaum.

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