Vor vielen Jahren habe ich zufällig ein Buch über das Thema Hochsensibilität gelesen. Es war eine Sammlung an Erfahrungsberichten von Menschen, die hochsensibel sind. Als ich begonnen habe, dieses Buch zu lesen, war ich erstaunt, wie viele Gemeinsamkeiten ich zwischen den Menschen und mir entdeckt habe. Besonders nach vielen Jahren, in denen ich mich von meinem Umfeld oft unverstanden gefühlt habe, war es besonders schön zu sehen, dass es auch Menschen gibt, die mir sehr ähnlich sind. Aufgrund der Ähnlichkeiten habe ich damals beschlossen, einen Test zu machen. Eigentlich wollte ich nie darüber sprechen, weil ich befürchtet habe, dass Menschen mir aus Unwissenheit mit Vorurteilen begegnen. Einige denken an eine extrem überempfindliche Person, wenn sie den Begriff hören, wiederum andere denken, man möchte sich nur in den Mittelpunkt stellen oder denken, es ist eine Krankheit. Nichts davon stimmt und dennoch neigen Menschen dazu, ohne viel Hintergrundwissen Vorurteile in ein vermeintliches Bild zu formen. Aber ich mag mich, wie ich bin, und genau aus diesem Grund möchte ich hier darüber sprechen. Hochsensible Menschen werden oft mit einer Orchidee verglichen, die im richtigen Umfeld wunderschön erblühen kann, aber an einem falschen Standort nicht gut gedeihen kann. Also, ich mag den Vergleich mit einer Orchidee sehr. Ich kenne Menschen, deren Charakter eher einer Distel ähnelt. Da ist eine Orchidee doch viel schöner. Es stellt keine Belastung für mich dar, hochsensibel zu sein, aber ich musste lernen, damit umzugehen. Mittlerweile empfinde ich meine Hochsensibilität als etwas Wundervolles, als ein Geschenk. Ein Leben ohne Hochsensibilität würde für mich nicht infrage kommen. Es wäre schön, wenn die Menschen sich mehr die Mühe machen, etwas zu verstehen, anstatt sofort zu urteilen. Ihn lehne die Sichtweise, dass Menschen mit Hochsensibilität ein Filter fehlt, streng ab. In meinen Augen ist es wieder der Versuch, den „Du bist anders als die meisten Menschen“ Stempel aufzudrücken. Menschen sind unterschiedlich und das ist gut. Manche Menschen nehmen viele Sinneseindrücke wahr, andere weniger. Bloß weil man mehr wahrnimmt, bedeutet es nicht, dass etwas fehlt. Vielmehr habe ich das Glück, mehr wahrnehmen zu können. Eine Welt ohne diese vielen Wahrnehmungen würde sich für mich leer anfühlen. Vor ein paar Tagen habe ich zum Beispiel eine kleine Blume (Vergissmeinnicht) vor einem einzelnen Baum im Wald stehen sehen. Der Anblick hat mir so gut gefallen, dass mir sofort ein Text eingefallen ist. Die Farben Blau und Gelb in Kombination mit der Bedeutung der Blume Vergissmeinnicht haben sofort einen Text geformt. Ihr werdet ihn bald auf meiner Seite lesen können. Viele Menschen übersehen diese Blume und ihnen entgehen so viele schöne Momente dadurch. Zügig merken die meisten Menschen, dass ich Stimmungen von Menschen sehr deutlich wahrnehme. Vor einiger Zeit gab es eine Situation, von der ich euch erzählen möchte. Als ich das Büro am Morgen betrat, merkte ich sofort, dass eine Kollegin miserabel gelaunt war. Sie hat nichts gesagt, aber ich habe es gespürt und an ihrer Tonlage sofort erkannt. Der etwas missmutige Gesichtsausdruck von ihr hat die erste Vermutung bestätigt. Normalerweise frage ich die Menschen dann, ob alles in Ordnung ist. An diesem Tag war ich allerdings zeitlich nicht dazu in der Lage. Ein paar Minuten später bin ich besagter Kollegin bei der Kaffeemaschine begegnet. Mit demselben Gesichtsausdruck wie zuvor schaute sie mich an, während sie sagte „Was für ein scheußliches Wetter." Wow, ich habe also erfühlt, dass meine Kollegin das Wetter schlecht gefunden hat. Bereits beim Betreten des Raumes nehmen viele sehr sensible Menschen Stimmungen ihrer Mitmenschen wahr. Das ist etwas Schönes, kann aber auch sehr anstrengend sein. Empfindsam und empfindlich sein, ist nicht dasselbe. Oft merke ich, dass die Menschen denken, aufgrund meiner starken mitfühlenden Charaktereigenschaften sei ich besonders empfindlich oder sogar zerbrechlich. Ein Kartenhaus, das schnell zusammenbricht. Tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall. Da ich schon ein Leben lang nicht nur Sinneseindrücke intensiv wahrnehme, sondern auch Gefühle, bin ich daran gewöhnt, schwierige Situationen zu bewältigen. Ich bin sozusagen ungewollt ein Experte im Verarbeiten meiner eigenen Gefühle. Egal, wie schwierig etwas war, ich habe es immer überstanden. Gerade weil ich sehr viel wahrnehme, habe ich auch gelernt, sehr viel zu verarbeiten. Feinfühlig/Empfindsam und empfindlich/Zerbrechlich ist nicht dasselbe. Das verwechselt sehr viele Menschen. Besonders manipulative Menschen bemerken rasch, wie fein meine Wahrnehmung ist. Oft versuchen sie mich damit zu manipulieren oder zu kränken. In meiner Vergangenheit sind mir solche Menschen bereits begegnet. Es ist der Versuch, meine Stärke gegen mich selbst zu verwenden. Da ich solche toxischen Verhaltensweisen aber normalerweise bemerke, kann ich damit sehr gut umgehen. Das Verständnis dieser zwischenmenschlichen Dynamik hat mir vor vielen Jahren sehr geholfen, mit solchen toxischen Menschen umgehen zu lernen. Die meisten hochsensiblen Personen verschließen sich, um sich selbst zu schützen. Ich bin wahrscheinlich einer der wenigen, die genau das Gegenteil machen. Wenn man sich Menschen öffnet, kann man zu vielen Menschen eine Verbindung aufbauen. Ich bin ein sehr loyaler, treuer Mensch, der sehr tiefe und intensive Verbindungen zu einem Menschen spüren kann. Manchmal fühle ich mich allerdings in einer oberflächlichen Welt, in der die meisten Menschen oberflächliche, flüchtige Verbindungen pflegen, verloren.
Es gibt positive und anstrengende Aspekte meiner Hochsensibilität. Zum Beispiel könnte ich ohne meine intensive und deutlich stärker ausgeprägte Wahrnehmung/ Achtsamkeit meine Texte nicht schreiben. Es bedarf keine Anstrengungen, eine kleine Blume vor einem moosbewachsenen Baum zu entdecken. Es fällt mir auf, während viele an diesen kleinen Details vorbeigehen, ohne sie zu bemerken. Aber ich benötige immer wieder Zeit für mich. Meistens gehe ich in solchen Momenten in den Wald. Diese ruhigen Waldspaziergänge wirken auf mich wie eine Energietankstelle. Es hilft mir dabei, den stressigen Alltag auszugleichen und mein inneres Gleichgewicht zu finden. Viel wahrzunehmen bedeutet bei mir nicht, dass ich mich nicht konzentrieren kann. Ganz im Gegenteil. Wenn ich arbeite, dann kann ich eine Umgebung so gut ausblenden, dass ich Menschen, die den Raum betreten, bewusst ignoriere. Meine Wahrnehmung kann man sich wie eine Ampel vorstellen. Grün ist, was ich wahrnehme und sofort für meinen Alltag benötige. Gelb nehme ich wahr, ist aber für meine aktuelle Situation nicht wichtig, sondern uninteressant. Rot nehme ich nicht wahr. Der Teil der Umgebung, mit gelben Eigenschaften, den ich wahrnehme, ist deutlich stärker als bei vielen anderen Menschen. Nur mit den Wahrnehmungen der grünen Kategorie beschäftige ich mich bewusst. Denn ich bin mir bewusst, dass die Informationen der Kategorie gelb momentan nicht wichtig sind. Das ermöglicht mir, mich zu konzentrieren und die Wahrnehmungen zu einem späteren Zeitpunkt erneut aktiv in mein Bewusstsein zu rufen. Das ist oft sehr nützlich, denn ich begreife dadurch Zusammenhänge sehr gut. Selbst dann, wenn sie in unterschiedlichen Zeitpunkten passiert sind. Allerdings muss ich aufpassen, dass ich mich nicht in Kleinigkeiten verhänge. Es kann sonst passieren, dass ich mich in Kleinigkeiten verbeiße.
Meine Eigenschaft, Stimmungen von Menschen zu spüren und die Eigenschaft, Kleinigkeiten individuell wahrzunehmen, helfen mir oft dabei, Dynamiken von Gruppen wahrzunehmen. Dadurch kann ich wahrnehmen, wie einzelne Menschen in einer Gruppe sich verhalten und miteinander interagieren. Es ist wunderschön, das alles wahrzunehmen. Vermutlich kann man diese Eigenschaft als Gruppenempathie bezeichnen. Mir scheint, dass es eine sehr nützliche Fähigkeit sein kann, in einer Zeit, in der viele nur die eigenen Gefühle wahrnehmen. Die anstrengenden Bestandteile meiner Hochsensibilität bestehen darin, dass meine intensiven Gefühle und die etwas schnelle Überreizbarkeit mir manchmal im Weg stehen. Es kommt dazu, dass ich die eigentlich sehr stark vorhandene Empathie aufgrund von intensiven Gefühlen oder einer Überreizung von zu vielen Umgebungsreizen nicht in dem Ausmaß leben kann, wie ich das möchte. Zum Glück kommt das bei mir nur selten vor. Meistens, wenn es Menschen betrifft, die mir sehr am Herzen liegen. Das Verhalten von Menschen, die ich liebe, löst sehr starke Gefühle in mir aus. Diese Gefühle können mich dann überwältigen. Diese intensiven Gefühle überdecken dann manchmal die Fähigkeit der Wahrnehmung. Kennt ihr solche Situationen vielleicht auch? Ich empfinde es als wunderbar, mich mit anderen intensiv über so tiefgründige Themen auszutauschen. Leider lehnen die meisten Menschen das aus Unlust oder Unfähigkeit ab. Mir liegen oberflächliche Gespräche nicht besonders. Ich langweile mich zügig, wenn ich lange oberflächliche Gespräche führen muss, allerdings scheinen die meisten Menschen tiefgründige Gespräche zu überfordern. Das ist oft ein Problem in der Kommunikation. Oft überfordere ich Menschen mit Informationen, Gefühlen, Beobachtungen, über die viele Menschen sich noch nie Gedanken gemacht haben. Diese Menschen finden das Gespräch dann schnell unangenehm.
Wie bei vielen hochsensiblen Menschen wurde auch mir in meiner Vergangenheit von der Gesellschaft oft kommuniziert, zu viel zu sein/zu geben. So wurde mir zum Beispiel oft kommuniziert, dass ich zu viele, zu intensive Gefühle mitteile. Im Bereich Liebe ging das sogar so weit, dass mir gesagt wurde, man darf einem Mann, den man liebt, ja nicht zeigen, wie viel man empfindet, denn sonst verlieren Männer ja das Interesse. Im Bereich zwischenmenschlicher Interaktionen wurde mir oft vermittelt, dass Traurigkeit wegen einer schlechten Nachricht übertrieben ist und man das einfach so wegstecken muss oder nach außen nicht zeigen darf. Generell wurde mir oft gesagt, dass ich zu schnell von Kleinigkeiten berührt bin. Über diese Gefühle zu sprechen, war den meisten Menschen ohnehin zu viel, dann spricht man ja nicht über Gefühle. Als ich noch kein war, wurde von mir oft wahrgenommen, dass ich, so wie ich bin, nicht gut genug bin. Es hat sich so angefühlt, nicht richtig sein zu können. Heute, nach vielen Jahren, weiß ich, dass es nicht stimmt, was die Menschen gesagt haben. Ich habe gelernt, mir meinen Charakter nicht nehmen zu lassen, denn ich bin genauso gut, wie ich bin. Wieso sollte ich falsch sein, wenn ich Gefühle intensiv ausdrücke? Vielleicht sind viele Menschen einfach nur unfähig, Gefühle ihren Mitmenschen zu vermitteln? Oft kommunizieren Menschen Gefühle nicht, wegen einer tiefen Unsicherheit. Dass ich diese Unsicherheit nicht habe, ist etwas Gutes. Dem Verhalten der Menschen liegt die Angst zugrunde, von den Mitmenschen abgelehnt zu werden. Aber Gefühle sind etwas Wundervolles. Wie eintönig wäre diese Welt, wenn es intensive Gefühle nicht geben würde….Sie zu vermitteln und darüber zu sprechen, ist etwas Wundervolles. Es ist wirklich schlimm, dass besonders Männern in unserer Gesellschaft vermittelt wird, keine Gefühle offen zu zeigen. Ich kann nicht verstehen, wie das Bild von einem kalten, eiskalten Mann als begehrenswert gewertet werden kann. Also ich empfinde es als sehr attraktiv, wenn Menschen Wahrnehmungen und Gefühle anderen vermitteln können. Männer, die meiner Meinung nach einem falschen Ego-Männerbild leben, sind für mich absolut uninteressant. Es sollte sich etwas ändern, denn die Menschen müssen wieder lernen, offener über Gefühle zu sprechen, anstatt die eigene Unsicherheit hinter dicken inneren Mauern zu verstecken.
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