Nützlicher vermeintlicher Schädling
 

Heute erzähle ich euch etwas über ein menschliches Verhalten, das ich oft beobachte und nicht besonders gerne mag. Trotz wenig vorhandenem Hintergrundwissen urteilen Menschen und legen ihr künftiges Verhalten anhand von Halbwissen und falschen Annahmen fest. Um euch das genauer zu erklären, erzähle ich euch eine kleine wahre Geschichte aus der Zeit, als ich noch einen Garten hatte. Bis ich mich vor 1 ½ Jahren von meinem Ex-Partner getrennt habe, hatte ich einen Garten. Seit ich ausgezogen bin, fehlt mir der Garten sehr, aber darum geht es jetzt nicht. Dort habe ich viel angebaut (z. B. Gurken, Tomaten, Äpfel, Salat, Kräuter, Himbeeren usw.). Heute geht es allerdings nicht um meinen Garten, sondern um den wunderschönen Rosenkäfer, der auch dort ebenfalls zu Hause war. Im Frühjahr waren viele von diesen wunderschönen Tieren im Garten unterwegs. Die Engerlinge (Larven der Tiere) befinden sich in der Erde, bevor sie sich zum Käfer entwickeln. Ihr könnt einen ausgewachsenen Rosenkäfer auf dem Foto sehen. Der goldschimmernde Panzer mit den hell bis smaragdgrünen, fließenden Farbübergängen ist einzigartig schön. In der Sonne glänzt der Panzer des Käfers und schimmert so sehr, dass ich ihn kaum übersehen kann. Im Frühjahr, wenn die Larven sich zu Käfern entwickeln, konnte man jedes Jahr viele dieser Käfer in der Luft beim Fliegen bewundern. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, dass es Menschen gibt, die diese schönen Tiere schädlich finden und aus ihrem Garten vertreiben wollen. Eines Tages habe ich mich mit einer Nachbarin unterhalten. Sie hat einen der Rosenkäfer in meinem Garten fliegen sehen. Über ihre abfälligen, extrem abwertenden Worte war ich sehr verwundert. Sie fragte mich, ob ich auch diese widerlichen Schädlinge im Garten habe, die Pflanzen zerstören. Über diese Aussage war ich sehr verwundert, also wollte ich wissen, woher die Annahme stammt. Sie erzählte mir von einer Unterhaltung mit ihrer Freundin, die sie vor ein paar Tagen hatte. Die Larve im Boden hatte angeblich alle Pflanzen von besagter Freundin zerstört. Da ich mich gut mit dem Rosenkäfer auskenne, war mir sofort bewusst, dass die Annahme auf fehlerhaften Rückschlüssen beruht. Unbekannte Larve im Boden in Kombination mit einer vertrockneten Pflanze bedeutet natürlich, dass dieses unbekannte Lebewesen ein Schädling sein muss. Die Gesprächspartnerin dieser besagten Nachbarin konnte sich wohl selbst nicht eingestehen, dass sie nicht gut im Pflegen von Pflanzen ist. Da schien es einfacher zu sein, die Schuld für das Vertrocknen der Pflanzen in ihrem Garten auf den Rosenkäfer zu schieben. Leider hat besagte Nachbarin die Schilderungen ohne zu hinterfragen aufgegriffen. Sie hat trotz fehlender Fachkenntnisse über das Verhalten der schönen Käfer die negative, fast schon hetzende Stimmung von der anderen Gesprächspartnerin übernommen. Zum Schluss des Gesprächs erzählte sie mir, dass sie alle sichtbaren Larven aus der Erde entfernt und entsorgt. Das Entfernen der Tiere ist eigentlich strafbar, da es sich um eine geschützte Art handelt. Aber das abwertende Verhalten der beiden Käferhasser ging noch viel weiter. Eine sehr tierliebe Frau aus der Nachbarschaft wurde öffentlich von den beiden Käfer-Gegnern beleidigt, weil sie die Engerlinge (Larven) in der Erde lässt. Ihr wurde von der Gruppe der Käferhasser sogar nachgesagt, dass sie angeblich die Käfer gezielt züchtet. Diese ausgrenzenden Worte zeigen aufschlussreich ein regelmäßig vorhandenes Muster der Ausgrenzung. Das Verhaltensmuster wird auch von vielen Menschen gegenüber ihren Mitmenschen angewendet. Viele begegnen auch ihnen auf dieselbe vorurteilsbehaftete Art.

Die Annahme, dass die Larven in der Erde ein Schädling sind, beruht tatsächlich auf fehlenden Kenntnissen. Die Larven ernähren sich nämlich von abgestorbenen Wurzeln und abgestorbenem Holz und verwandeln diese in Humus. Nur in ganz seltenen Fällen fressen manche Larven von Käfern (je nach Art unterschiedlich) intakte Wurzeln. Da in der Natur allerdings genug abgestorbenes Pflanzenmaterial vorhanden ist, kommt das kaum vor. Die Larven der Rosenkäfer hingegen ernähren sich von abgestorbenem Pflanzenmaterial. Sie haben eine sehr nützliche Eigenschaft und werten den Boden auf. Da ich die Larven nie entfernt habe, kann ich das absolut bestätigen. Bei mir haben sie keine Schäden an meinen Pflanzen hinterlassen. Keine meiner Pflanzen im Garten war wegen eines nicht sichtbaren Grundes abgestorben. Wenn es einmal passiert ist, dann aufgrund einer Krankheit, Tomatenfäule oder anderen bekannten Gründen. Ich bin mir somit sehr sicher, dass diese Larven keinen signifikanten Schaden anrichten. Meine Beobachtungen werden von Fachliteratur zu dem Thema gestützt. Die ausgewachsenen Käfer knabbern gelegentlich im kaum spürbaren Ausmaß Blütenblätter an. Eigentlich ernähren sie sich von Pollen und Nektar. Ich bin ein Mensch mit sehr viel Achtsamkeit für meine Umgebung. Deswegen betrachte ich meine Pflanzen sehr genau. Mir fallen kleinste Verfärbungen von Blattfarben auf, weshalb ich oft schon vor sehr stark sichtbaren Pflanzenschäden auf verändernde Pflanzenbedürfnisse reagieren kann. Sobald sich Blätter hellgrün oder gelb verfärben, fällt mir das auf. In der kompletten Zeit, als ich in diesem Garten Blumen, Rosen oder Nutzpflanzen kultiviert habe, ist selbst mir keine Beschädigung von Blütenblättern aufgefallen. Da die meisten Menschen erfahrungsgemäß Pflanzen nicht so achtsam betrachten wie ich, ist es sehr unwahrscheinlich, dass stark sichtbare Schäden von den Rosenkäfern verursacht wurden. Diese Geschichte zeigt das typisch menschliche Verhalten der Schuldzuweisung und Ausgrenzung, beruhend auf Halbwissen und Vorurteilen, hervorragend. Auch im Alltag ist dieses Verhalten bei Menschen oft zu beobachten. Viele machen sich nicht die Mühe, Hintergründe herauszufinden, sondern urteilen vorschnell aufgrund weniger vorhandener einzelner Beobachtungen. Wir sollten dieses Verhalten alle öfter hinterfragen, denn meistens stellt sich bei genauerem Hinsehen heraus, dass Urteile über Mitmenschen mit wenig vorhandenem Hintergrundwissen oft falsch sind. Vorurteile zerstören sehr viel zwischenmenschliche Kommunikation, die eigentlich schön sein könnte. Ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen versuchen, ihre Mitmenschen auf tieferer Ebene zu verstehen, anstatt vorschnell zu urteilen.

Mir ist bewusst, dass unser menschliches Gehirn vorhandene Wissenslücken mit Annahmen auffüllt, um schnell eine Einschätzung treffen zu können. Wir sollten dieses Verhalten alle öfter hinterfragen. Viel zu schnell wird aus ein paar wenigen Informationen ein komplexes Bild eines Menschen geformt, das sich bei genauerem Betrachten vielleicht ganz anders darstellt. Wie bei diesem schönen, schimmernden Rosenkäfer, der bei genauem Betrachten den Pflanzen nicht schadet, sondern den Boden sogar aufwertet. Es ist ein großer Wunsch von mir, dass die Menschen vorhandene Vorurteile hinterfragen und die Mitmenschen auf einer tiefgreifenden Ebene kennenlernen, anstatt oberflächlich zu urteilen. Mir scheint allerdings, dass nicht jeder Mensch dazu in der Lage ist.

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