Vorwort:
Vor einigen Tagen habe ich ein Foto im Internet gesehen, das mir sehr gut gefallen hat. Es ist nicht das Bild von meinem Text, aber sie sehen sehr ähnlich aus. Mich hat die Darstellung dieser Frau am Klavier nicht losgelassen. Warum es so war, kann ich nicht genau sagen. Dieser Text ist aus den darauffolgenden Gedanken entstanden. Lange habe ich überlegt, welche Worte ich als Erklärung zum Text wählen soll, aber mir gefällt der Gedanke, dass der Text von euch frei interpretiert wird. Lasst euren Interpretationen freien Lauf. An dieser Stelle möchte ich noch einmal erwähnen, dass meine Texte keine Tagebucheinträge sind. Es sind Wahrnehmungen, Eindrücke und Gedanken, die in Textform zum Ausdruck gebracht werden. Auch wenn ich in der Ich-Form schreibe, muss es sich nicht unbedingt um eigene Erlebnisse handeln. Allerdings liegen den Erzählungen immer Eindrücke und Gefühle zugrunde. Es sind Wahrnehmungen, die mich selbst oder andere Personen betreffen. Namen werde ich in meinen Texten nie nennen, denn es geht nicht darum, wen die Texte betreffen, sondern was sie aussagen.
Spiegel der Selbsterkenntnis:
Der Abend ist schon sehr nah, wieder sitze ich nachdenklich, still und ganz leise da. Der Hocker, auf dem mein leicht eingesunkener Körper verharrt, ist schmal und hart. Meine Beine jedoch sind weich und ganz zart. Die Klingel der Tür erklingt, doch ich öffne sie nicht, mir ist bewusst, dass dort mein Glück zu finden ist. Verwundert frage ich mich, warum mein Körper bewegungslos verharrt, es scheint, als ob die Starre mich vor etwas bewahrt. Es ist der Selbstzweifel, der mir im Moment des nahenden Glücks Starre statt Zuversicht bringt. Meine Augen richten sich auf die Tasten des Klaviers, doch gedanklich bin ich noch immer nicht ganz hier. Hoffnungsvoll versuche ich, die Melodie meines Lebens zu spielen, doch da ist die Angst, mich dabei selbst zu verlieren. Ein einzelner Ton erklingt, nachdem ein Finger nach unten schwingt. Aus Furcht vor all den vielen Klängen einer schönen Melodie erklingt der dritte Ton vielleicht nie. Die Untätigkeit meiner Finger plagt mich sehr. Warum nur fällt mir das Spielen trotz der Berührungen der Tasten so schwer? In diesem Moment spüre ich die Leere fehlender Töne meiner unvollständigen Melodie. Versiegt die Furcht vor Glück in mir nie? Die Türklingel erklingt erneut. Man sieht mir nicht an, dass mich der Ton des Klingelns eigentlich erfreut. Nur ein zartes Lächeln deutet an, dass für eine Sekunde lang in mir Hoffnung keimen kann. Fülle und Glück sind nur ein paar Schritte von der Starre des Moments entfernt, doch mein Körper hat die Unbeschwertheit verlernt. Die Sorglosigkeit des möglichen Glücks wurde von Taubheit überdeckt. Ich erhebe mich, während mein Körper zaghaft in die Richtung der Tür gerichtet ist. Es scheint, dass mein Verstand für einen Augenblick die Sorgen vergisst. Meine Augen wagen einen flüchtigen Blick zur Tür, während ich mich selbst nicht mehr spüre. Ein Teil von mir hat Angst, tiefe Gefühle in mir zu wecken, aus Furcht möchte ich mich lieber hinter dem Klavier verstecken. Ein unsichtbares Band aus Sehnsucht zieht mich immer weiter zur Türe hin, es sind all die Möglichkeiten auf tief empfundene Freude, die für mich anziehend sind. Erwartungsvoll berühren meine Hände die Türklinke. Die zarten Finger spüren, wie kühl die Oberfläche ist, dabei zeigen Zweifel meines Unterbewusstseins sich. Eine Stimme erklingt, während die Hände durch die geschlossene Tür miteinander verbunden sind. Da spricht das Glück zu mir: „Ich kann nicht ewig vor der verschlossenen Türe stehen und dir beim Leben von außen zusehen. Du musst etwas wagen, um wahre Verbundenheit zu anderen Menschen und dir selbst zu erfahren“. Ich zögere noch einen Moment, bis ich die Chance darin erkenne. Die Aufregung des Moments, die keine Grenzen kennt, sorgt dafür, dass ich meinen Herzschlag jetzt deutlich spüre. Gerade noch greifbare Angst wurde von der Anspannung eingefangen. Langsam bewegt sich der Türgriff nach unten, suchend frage ich mich, ist mein Glück bereits verschwunden?
Zögerlich, nur sehr schwach, mit zu viel Bedacht, ziehen meine eigentlich starken Arme an der Tür. Es wirkt, als wollen sie die Wahrheit hinter ihr nicht wahrhaftig berühren. Die vor Leichtigkeit fast schwebende Tür bewegt sich kaum, nur ganz langsam öffnet sich der Raum. Die verspannten Muskeln meiner verkrampft zusammengezogenen Arme lassen meine innere Angst erahnen. Mein Bewusstsein möchte den Grund dafür noch immer nicht erfahren, sondern weiter in der Ahnungslosigkeit verharren. Innere Ruhe finde ich in mir gerade kaum. Der Moment wirkt wie ein guter und zugleich schlechter Traum. Die Wirklichkeit der Unbeschwertheit ist von meiner Unfähigkeit, die Angst loszulassen, gefangen, dabei möchte ich zu Leichtigkeit und Lebendigkeit gelangen.
Ein heller Lichtschweif wandert durch den schmalen Türspalt. In diesem Augenblick spüre ich, wie die Neugier der vergangenen Minuten in mir nachhallt. Es ist nur ein winziger Moment, der mir doch so viel Veränderung bringt. Unerträglich fühlt sich die steigende Spannung an, sodass ich sie nicht mehr länger aushalten kann. Schwungvoll öffne ich die Tür, während ich einen sanften Lufthauch verspüre. Es überrascht mich sehr, denn die Bewegung fällt mir plötzlich gar nicht mehr schwer. Meine Augen sind auf die Öffnung gerichtet, während der Schleier meiner Selbsttäuschung sich lichtet. Mein Verstand sucht nach Erklärungen für etwas, das ich sehe und dennoch bislang nicht komplett verstehe. Ein großer Spiegel ziert den sonst leeren Flur, auf ihm prangt eine schöne Gravur. Der Spiegel der Selbsterkenntnis steht vor mir, er möchte, dass ich den Blick auf mich nicht mehr verliere. Er kann nur meine eigenen Gedanken, Gefühle, Werte, Stärken und Schwächen zeigen, durch ihn kann ich mein eigenes Selbst begreifen. Ein Spiegel, so klar und rein, in ihm kann nur die Wahrheit der eigenen Gefühle zu sehen sein. Tief, bis in die untersten Ebenen des Spiegels der Wahrheit, sehe ich hinein, dieses Gefühl könnte für mich nicht schöner sein. So mancher würde den Kopf verdrehen, wortlos weitergehen, anstatt in den Spiegel der Selbsterkenntnis zu sehen. Die Stille wird zum Spiegel der Seele, während sie die Wahrheit verdrehen, um eine Illusion in den Tiefen ihrer Wahrnehmung zu säen. Selbstlügen können die Wahrhaftigkeit zerstören und bei manchen Menschen niemals aufhören. Die Furcht vor dem, was sie dort sehen, wiegt größer als der Wunsch, ihre tiefen eigenen Wahrheiten zu verstehen. Sie verändern ihren Blick, bis kein Spiegel mehr in ihrem Sichtfeld zu finden ist. Die Wahrheit erstickt im Dunst der Fehlbarkeit. Ich sehe jedoch in den Spiegel hinein und kann dabei zutiefst glücklich sein. Warum sollte Unvollkommenheit etwas Schlechtes sein? Fehler zu machen, kann neue Erkenntnisse schaffen, man muss sie nur ehrlich betrachten. Sie wahrhaftig zu verstehen bedeutet, in den Spiegel der Selbsterkenntnis zu sehen. Menschen, die vorgeben, vollkommen zu sein, können nur mit Selbstlügen gedeihen. Das Gefühl, im Spiegel die Wahrheit der eigenen Bedürfnisse zu sehen, ist unbeschreiblich schön. Die Fülle des Verstehens ist in der Leichtigkeit und Unbeschwertheit der eigenen Freude zu sehen. Was könnte freier sein, als bei sich selbst angekommen zu sein? Steht der Spiegel der Selbsterkenntnis vor deiner Türe, wage einen Blick hinein und du wirst durch ein Gefühl von ehrlicher Authentizität innerlich frei sein.
Frei und unbeschwert tragen meine Füße mich zurück zum Klavier. Denn ich finde wieder die Freude zum Spielen der Melodie meines Lebens in mir. Meine Finger spielen all die schönen Töne wie von allein, das muss wahre Unbeschwertheit sein. All die vielen Töne formen eine wundervolle harmonische Melodie, während das Lächeln der Freude mit meinen Augen spielt. Das Licht der Selbsterkenntnis scheint in meine Augen hinein und konnte mich von meinen negativen Gedanken befreien. Jetzt, in diesem Moment, kann ich sorglos und voller Freude sein. Mit meinen eigenen Wünschen vereint, ist die schöne Wirklichkeit in meinem Bewusstsein erneut gekeimt. Loslassen kann wahrhaftige Leichtigkeit erschaffen, ohne sich selbst dabei zu verlassen. Die Bewegungen meiner Hände schwingen flüssig und leicht, die negativen Gedanken wurden von Selbsterkenntnis aufgeweicht.
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